Schule kann etwas für die Stärkung der psychischen Gesundheit tun. Sie muss nicht nur krank machen, sondern, wie schon am Beispiel der Belastungsdimensionen aus Sicht der Schülerinnen und Schüler aufgezeigt, kann Schule auch zur Gesundheit beitragen. Verschiedene Ansatzpunkte lassen sich dafür identifizieren. Sie können abgeleitet werden aus den Handlungsfeldern und Handlungsprinzipien der schulischen Gesundheitsförderung, wie sie im Verlaufe der BLK-Modellversuche „Netzwerk Gesundheitsfördernde Schulen" (1993-1997; Barkholz; Paulus 1998) und „OPUS - Offenes Partizipationsnetz und Schulgesundheit" (1997-2000; Barkholz u. a. 2001) in 15 der 16 Bundesländer unter dem Einfluss auch des „European Network of Health Promoting Schools" entwickelt worden sind (Stewart Burgher u. a. 1998).

Handlungsfeld 1: Lehren, Lernen, Curriculum
Hier geht es um die Stärkung der Lebenskompetenz der Schülerinnen und Schüler. Das ist ein Ansatzpunkt, der sich an die Schülerinnen und Schüler selbst richtet. Es geht um die Vermittlung von Lebensperspektive und Sinnerfahrung, von Lebenskompetenz, Bewältigungskompetenz und Gestaltungskompetenz.

Handlungsfeld 2: Schulkultur und schulische Umwelt
Die Gestaltung des Schullebens und der Schulkultur ist ein anderer wichtiger Punkt. Es geht darum, die Verbundenheit der Schülerinnen und Schüler mit der Schule zu stärken, ihnen soziale Unterstützung anzubieten, ihr Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu fördern. Dabei ist die Gesundheit der Lehrkräfte und des nicht unterrichtenden Personals auch zu beachten. Auch sie tragen zum Schulklima, zum Schulethos mit bei und sie sind Vorbild, Modell für die Schülerinnen und Schüler.

Handlungsfeld 3: Dienste, Kooperationspartner
Schule kann zur Förderung der psychischen Gesundheit die eigenen Kräfte stärken, indem sie Kooperationen mit außerschulischen Partnern eingeht, zum Beispiel mit den Krankenkassen, mit dem Gesundheitsamt, dem Jugendamt, den niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten. Und auch mit der Kirche.

Handlungsfeld 4: Schulisches Gesundheitsmanagement
Hier geht es um die Entwicklung sowie Anwendung von Prinzipien und Strategien schulbetrieblicher Gesundheitsförderung. Ein Schulgesundheits-Management- System ist ein in die Schule integriertes und systematisch betriebenes Management, das verschiedene Qualitätsindikatoren enthält. Es beinhaltet Elemente der (a) Führungs-, (b) Struktur-, (c) Prozess- und (d) Ergebnisqualität, die in der Perspektive „Schule als Betrieb" aufeinander bezogen werden. Wichtige Bereiche sind hier zum Beispiel Führungsstile, Schulkultur und -klima, Arbeitsverhalten, Arbeitszufriedenheit und organisationales Lernen (Bertelsmann-Stiftung; Böckler-Stiftung 2000).

Einen Überblick über bisherige erfolgversprechende Ansätze zur Förderung der psychischen Gesundheit in und mit Schulen zeigt, dass diese Ansätze sich neben der Konzentration auf bestimmte Handlungsfelder auch durch Handlungsprinzipien auszeichnen. Es ist einmal ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit, das ihnen zugrunde liegt. Psychische Gesundheit wird als eingebettet gesehen in ein Konzept von Gesundheit, das sowohl körperliche, soziale, spirituelle und ökologische Aspekte mit einschließt. Ihre Förderung muss verbunden sein mit der Entwicklung der Schule, muss ihr dabei helfen, sich zu entwickeln, zu einer guten Schule zu werden.

Die Förderung psychischer Gesundheit ist auch immer eingebettet in Konzepte von Vernetzung, so dass Synergieeffekte erzielt werden können. Erfolg versprechend ist danach, dass nicht nur einzelne Akteure sich des Themas annehmen, sondern innerhalb der Schule das Kollegium, die Schülerschaft, die Eltern, das nicht unterrichtende Personal, die medizinischen und psycho-sozialen Dienste und außerhalb der Schule die Vernetzung mit möglichen Kooperationspartnern. Zudem gilt, dass die Vernetzung so angelegt ist, dass sie zur Stärkung der Personen führt, dass nicht eine neue Expertenkultur aufgebaut wird, sondern dass die Betroffenen selbst wieder zu Kräften kommen, sie spüren können, wie sie mit ihrem Einsatz selbstwirksam werden. Das ist das, was mit dem Begriff Empowerment bezeichnet wird. Und dann haben natürlich alle diese Ansätze eine salutogenetische Perspektive, d.h. sie sind auf Gesundheit ausgerichtet, auf psychische Gesundheit, auf ihre Förderung, ihre Verwirklichung. Die Interventionen und Programme wollen Bedingungen bereitstellen, dass sich psychische Gesundheit entwickeln kann und nicht nur, dass psychische Störungen, Behinderungen, Auffälligkeiten vermieden werden. All dies läuft zusammen im Konzept der gesundheitsfördernden Schule, eine Konzeption, die sich als Setting-Ansatz in den letzten 10-12 Jahren in Europa entwickelt hat und als das am weitesten entwickelte Konzept schulischer Gesundheitsförderung gelten kann.
(Paulus 2002b:970-975).