Vorschulalter (2.-7. Lebensjahr)

  • Sie verfügen über ein globales, undifferenziertes, egozentrisches, wahrnehmungsgebundenes, einer zirkulären Logik verhaftetes Konzept.
  • Gesundheit wird von ihnen als angenehmer, positiver Zustand (sich gut fühlen und erwünschte Aktivitäten ausführen können) empfunden.
  • Sie nennen einzelne, nicht miteinander in Beziehung stehende allgemeine Gesundheitspraktiken (Häufiger Bezug auf Ernährung und Bewegung).
  • Sie sind überzeugt, einiges zum Erhalt der Gesundheit tun zu können.
  • Sie können ihre eigene gesundheitliche Verfassung nur schwer selbst einschätzen. Externale Faktoren ("Andere sagen mir, wenn ich krank bin") oder Aspekte des Rollenverhaltens ("Weil ich zur Schule gehe, weiß ich, dass ich gesund bin"), ziehen sie mit heran.

Grundschulalter (7.- 11. Lebensjahr)

  • Sie verfügen über ein differenzierteres, thematisch vielfältiges, weniger wahrnehmungsgebundenes, mehr kognitives Konzept.
  • Sie erkennen den Zusammenhang von gesundheitsbezogenem Handeln und darauf folgendem Gesundheitszustand. Der Sinn präventiver Maßnahmen wird ihnen erstmals einsichtig.
  • Gesundheit wird von ihnen als veränderbar erlebt. Gesundheit kann in Krankheit übergehen und umgekehrt.
  • Gesundheit wird von ihnen mit Wohlbefinden, positiv erlebtem körperlichem Allgemeinzustand und der Fähigkeit, gewünschte und angenehme Aktivitäten ausführen zu können, verbunden.
  • Gesundheit wird von ihnen als Nichtkranksein interpretiert.
  • Sie nennen spezifische Gesundheitspraktiken, die zum eigenen Gesundheitskonzept zugehörig betrachtet werden.
  • Sie handeln eigenständiger bzw. autonomer in Bezug auf ihre Gesundheit.
  • Sie beurteilen ihre eigene gesundheitliche Konstitution kritischer und pessimistischer.

Jugendalter (12. - 17. Lebensjahr)

  • Besitzen ein differenziertes, detailliertes Wissen hinsichtlich Gesundheitserhaltung, -förderung und Krankheitsprävention.
  • Haben ein umfassendes, komplexes und ganzheitliches Gesundheitsverständnis entwickelt.
  • Verstehen unter Gesundheit, sich in körperlicher, geistiger und sozialer Hinsicht in guter Verfassung zu befinden und leistungsfähig zu sein vornehmlich in Bezug auf jugendspezifische Rollen.
  • Interpretieren Gesundheit als Fehlen von Krankheit, Beschwerden und Gebrechen.
  • Gesundheit und Krankheit ist für sie gleichzeitig möglich
  • Beachten stärker psychische als physische Aspekte von Gesundheit.
  • Machen Gesundheit vorrangig an der psychischen Befindlichkeit und der sozialen Kompetenz fest.
  • Betrachten Gesundheit als Selbstverständlichkeit und verfügbares Gut, das nicht thematisiert werden muss.
  • Sind sehr davon überzeugt, Gesundheit und Genesungsprozesse aktiv beeinflussen zu können.
  • Gute Ernährung und körperliche Bewegung sind weiterhin dominante Verhaltensregeln für sie die eigene Gesundheit zu erhalten.
  • Gesundheit ist in diesem Alter ein "sozialer Stereotyp". Eigenständiges Gesundheitsinteresse und gesundheitsbewusster Lebensstil findet sich frühestens ab dem 15. bzw. 16. Lebensjahr.

Adoleszenz (ab 17. Lebensjahr)

  • Haben ein "Gebrochenes Gesundheitskonzept" aufgrund alltäglicher Belastungen und gesundheitlicher Beschwerden. - Sie klagen vermehrt über vage gesundheitliche Beschwerden, die das gesundheitliche Wohlbefinden beeinträchtigen.
  • Sie differenzieren in ein "privates Gesundheitskonzept" (persönliche "angeschlagene" Verfassung) und ein "öffentliches Gesundheitskonzept" (Idealisierung von Gesundheit).

Diese allgemeinen Kategorisierungen bilden das "Grundgerüst", aus dem die Kinder und Jugendlichen ihre spezifischen subjektiven Gesundheitskonzepte bilden.

Eine Untersuchung zeigt z.B., welche Konzepte Jugendliche von Gesundheit haben. Sie konnten fünf Dimensionen von Gesundheits- und Krankheitsdefinitionen unterscheiden (1).

Dimensionen von Gesundheit und Krankheit bei Jugendlichen
 beispielhafte Antworten
 Dimensionen Gesundheit Krankheit
Gegensatz...nicht krank bin...nicht gesund bin
physische Indikatoren...keine Beschwerden habe
...keine Schmerzen habe
...kein Aids habe
...Fieber habe
...Bauchweh habe
Befinden...gute Laune habe
...glücklich bin
...Spaß habe
...keine Sorgen habe
...unzufrieden bin
...Streit habe
...schlecht gelaunt bin
...mich schlecht fühle
Funktionsfähigkeit...in die Disco gehen kann
...Sport treiben kann
...alles tun kann
...den Stoff in der Schule beherrsche
 ...mir das nicht zumuten kann, was mir Spaß macht
...nicht mit Freunden zusammen sein kann
...keine Leistungen mehr bringe
präventives Verhalten...mich gesund ernähre
...Sport treibe
...viele Zigaretten rauche
...mich nicht pflege

Diese Untersuchung zeigte im übrigen noch deutliche geschlechtsspezifische Präferenzen auf. Mädchen nannten fast doppelt so häufig "subjektives Wohlbefinden" (36,5 Prozent vs. 19.5 Prozent), während Jungen häufiger "allgemeine Funktionstüchtigkeit" (34, 4 Prozent vs. 26,7 Prozent) als Ergänzung des Satzes "Gesundheit bedeutet für mich, dass ich ..." aufschrieben.

Wie sehr überhaupt das Denken über Gesundheit in den Kontext von Krankheit eingebettet ist und wie sehr solches Denken kulturgebunden ist, dass zeigt eine interessante Untersuchung, die Schäfer (1994) durchgeführt hat (2). Er zeichnete Assoziationen u.a. zum Wort "Gesundheit" bei deutschen und philippinischen 12- bis 13jährigen Jugendlichen auf. In der Auswertung der Äußerungen der Schülerinnen und Schüler zeigte sich, dass die Assoziationen bei den deutschen Kindern sehr krankheitsorientiert ausfielen. Die Kinder nannten (in der Reihenfolge der Häufigkeit): Krankheit, Krankenhaus, Arzt, Arznei.
Bei den philippinischen Kindern sah das ganz anders aus. Sie nannten: Körper, gesund, körperlich, gut. Vergleichbare Assoziationen erhielt Schäfer bei den deutschen Kindern, wenn er ihnen das Wort "Lebensfreude" vorgab....

Anmerkungen:

(1) Nordlohne, E. & Kolip, P. (1994). Gesundheits- und Krankheitskonzepte 14-17jähriger Jugendlicher: Ergebnisse einer re-präsentativen Befragung. In Kolip, P. (hrsg.). Lebenslust und Wohlbefinden. Beiträge zur geschlechtsspezifischen Jugendgesundheitsforschung (S. 121-138).
(2) Schäfer, G. (1992): Der Gesundheitsbegriff bei verschiedenen Völkern - eine internationale Vergleichsstudie. In: Trojan, A. & Stumm, B. (Hrsg.). Gesundheit fördern statt kontrollieren (S. 50-71). Frankfurt/M.: Fischer

Ulrich Barkholz, Georg Israel, Peter Paulus, Norbert Posse: Gesundheitsförderung in der Schule. - Ein Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, Soest 1997.