Risikoreiche und problematische Formen des Problemverhaltens müssen nicht immer in gleicher Weise zur Besorgnis Anlass geben. Es kommt auf die Motive des Verhaltens an. Eher ungefährlichere Motive sind solche, die mit dem spezifisch jugendlichen Lebensstil verbunden sind und mit dem Übergang zum Erwachsenenalter in der Regel wieder ausklingen.

So sind z.B. Jugendliche anfällig für Einflüsse aus der Peergroup und neigen besonders im frühen Jugendalter stark zu gruppenkonformem Verhalten. Sie haben aber auch Lust zum Experimentieren mit neuen und unkonventionellen Verhaltensweisen.

Gefährlich sind die Motive dann, wenn mit dem risikohaften Verhalten schwierige Lebenssituationen bewältigt werden sollen. Kritisch wird es vor allem dann, wenn dies häufiger geschieht, nicht mehr angemessen für die Situation erscheint und wenn es zu einer Fixierung des Verhaltens kommt (1).

Die Schwierigkeit für die Lehrkräfte oder auch für Eltern besteht darin, dass es nicht immer leicht für sie ist, die Motive der Jugendlichen zu erkennen und in ihrer Bedeutung richtig einzuschätzen - vor allem ist es im Vorhinein nicht leicht! Dies wird auch aus der nachfolgenden Übersicht deutlich, die zeigt, welche verschiedenen Motive (oder auch Motivkombinationen) dem Drogenkonsum Jugendlicher zugrunde liegen können.

Motive von Jugendlichen, Drogen zu konsumieren

Drogenkonsum kann z.B.

  • der demonstrativen Vorwegnahme des Erwachsenenverhaltens dienen;
  • eine bewusste Verletzung von elterlichen Kontrollvorstellungen zum Ausdruck bringen;
  • Ausdrucksmittel für sozialen Protest und gesellschaftliche Wertkritik sein;
  • ein Instrument bei der Suche nach grenzüberschreitenden, bewusstseinserweiternden Erfahrungen und Erlebnissen sein;
  • jugendtypischer Ausdruck des Mangels an Selbstkontrolle sein;
  • dem Versuch dienen, sich auf einfache Weise Entspannung durch Genuss zuzufügen;
  • eine Zugangsmöglichkeit zu Freundesgruppen eröffnen;
  • Teilnahme an subkulturellen Lebensstilen symbolisieren;
  • eine Ohnmachtsreaktion sein, wenn Konflikte und Spannungen im sozialen Nahraum überhand nehmen;
  • ein Mittel der Lösung von frustrierendem Leistungsversagen sein;
  • eine Notfallreaktion auf heftige psychische und soziale Entwicklungsstörungen sein

Diese Zusammenstellung der Motive Drogenkonsum (2) macht auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam: Das risikohafte Verhalten der Jugendlichen ist für sie funktional. Es ist nicht nur einfach ein Verhalten sondern es funktioniert nach einer "Psycho-Logik". So erleichtert, z.B. das symbolische Erwachsenenhandeln des Rauchens die Ablösung von den Eltern. Zugleich wird der Eingliederung in die Gleichaltrigengruppe der Weg geebnet. Extrem-Sportarten eröffnen Jugendlichen Grenzerfahrungen, in denen sie den Horizont seiner Möglichkeiten erfahren und erweitern und damit ihre Identitätsentwicklung befördern können.

Anmerkungen:

(1) vgl. Seiffge-Krenke, I., a.a.O., S. 116
(2) Hesse, S. (1994). Suchtprävention in der Schule. Opladen: Leske + Budrich, S. 74 f:; vgl. auch: Nordlohne, E. (1992). Die Kosten jugendlicher Problembewältigung. Alkohol-, Zigaretten- und Arzneimittelkonsum im Jugendalter. Weinheim: Juventa; sowie: Franzkowiak, P. (1994). Lebenskompetenzen fördern, Netzwerke schaffen - Eine neue Richtung für die Suchtvorbeugung (S. 4-13)? In Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz (Hrsg.). Lebenskompetenzen fördern Netzwerke schaffen. Mainz: Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz.

Ulrich Barkholz, Georg Israel, Peter Paulus, Norbert Posse: Gesundheitsförderung in der Schule. - Ein Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, Soest 1997.