Die Ausgangslage


An allen Schulen besteht die Situation, dass Schülerinnen und Schüler regelmäßig neu auf­genommen und auch wieder abgegeben werden. Dabei denken Lehrkräfte vielerorts immer noch in Abschlüssen statt in Anschlüssen, sodass hier erst einmal ein Bewusstsein für die Problematik der Übergänge geschaffen werden muss, denn diese Übergänge bringen vielfäl­tige Probleme mit sich, die gesundheitlich stark relevant sind, wie z. B. die mangelnde Ko­operation und Vernetzung der abgebenden und der aufnehmenden Institutionen, die soziale Gestaltung der neuen Klassenverbände, fehlende Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern, die Notwendigkeit individueller Förderung, die Diagnose und Therapie gesundheit­licher Probleme sowie des Leistungsstandes usw. Anstelle systematischer und notwendiger­weise aufeinander aufbauender Übergänge werden diese von Kinder und Jugendlichen häu­fig als „Bruch" in der Bildungsbiografie erlebt.

Zugleich sind die Schnittstellen der Übergänge aber auch eine Chance, den aktuellen Leis­tungs- und Gesundheitsstand der Kinder und Jugendlichen zu reflektieren, für mehr Chan­cengerechtigkeit zu sorgen und die gewonnenen Ergebnisse für die Schulentwicklung zu nut­zen und dadurch den Gesundheitsstand aller Beteiligten zu verbessern.

Drei Übergänge seien exemplarisch ein wenig näher beleuchtet:

Fast alle Kreise und kreisweiten Städte haben umfangreiches Datenmaterial zur Entwick­lung, Gesundheit und Lebenssituation der Einschulungskinder erhoben, in dem u. a. deutlich wird, dass Bildung von zentraler Bedeutung für den Zusammenhang zwischen sozialer Un­gleichheit und Gesundheit ist. Gerade der Schulstart kann eine entscheidende Schnittstelle von Gesundheitsförderung und schulischer Förderung bilden, indem die Themen Anders­sprachigkeit, Sprachkompetenz, Übergewicht und Adipositas sowie weitere Förderbedarfe im Bereich der kognitiven, sprachlichen und motorischen, emotionalen und sozialen Entwick­lung stärker in den Fokus rücken und Risikopotenziale wie Armut oder Migrationshintergrund sensibler wahrgenommen werden.

Mit der sogenannten TIMSS-Übergangsstudie „Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule - Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturel­le Disparitäten" liegen nun erstmals bundesweit repräsentative Daten für den Übergang in die weiterführenden Schulen vor. Die Ergebnisse zeigen, dass der Übergang von der Grund­schule in die Sekundarstufe einer der kritischsten Punkte ist, an dem soziale Ungleichheit entsteht. Der Lernerfolg an deutschen Schulen ist immer noch eng an den sozialen Status gekoppelt. Die Chancen von Jugendlichen aus der Oberschicht, ein Gymnasium zu besu­chen, sind derzeit dreimal so hoch, wie die Gleichaltriger aus Arbeiterfamilien. Dreiviertel des sozialen Herkunftseffekts, der beim Übergang sichtbar wird, entsteht bereits vor und wäh­rend der Grundschulzeit. Diese „Gelenkstelle" im Bildungssystem muss also besonders sensibel austariert werden.

Im Übergang Schule und Beruf gibt es eine große Vielfalt von Initiativen und Programmen zur Berufsorientierung und zur Erlangung der Ausbildungsreife. In den meisten dieser Kon­zepte spielt die Gesundheitsförderung, etwa die Suchtprävention, eine große Rolle, zumal die Jugendhilfe als wichtiger Kooperationspartner angesehen wird. Zentrale Ansätze der Ge­sundheitsförderung, wie z. B. die Partizipation oder das Empowerment, finden hier ebenfalls schon Beachtung, indem z. B. die Mitarbeit der Eltern verstärkt eingefordert wird und Kompe­tenzanalysen durchgeführt werden.

Die Ziele eines wirkungsvollen Übergangsmanagement lassen sich folgendermaßen defi­nieren:

  • Im Zentrum der Gestaltung der Übergänge steht das Kind/der Jugendliche und des­sen jeweilige Entwicklungs- und Bildungsbiographie und nicht die Institution.
  • Förderdiagnostik und anschließende Fördermaßnahmen müssen möglichst frühzeitig angeboten werden - und zwar sowohl für die benachteiligten als auch für die beson­ders begabten Schülerinnen und Schüler.
  • Die Bildungsziele, Grundsätze und Prinzipen der abgebenden und der aufnehmen­den Institution müssen aufeinander abgestimmt werden.
  • Die Eltern sollten gezielter eingebunden und in ihren Kompetenzen gestärkt werden.
  • Eine stärkere Ausrichtung der Bildungsangebote an den jeweiligen Sozialraum kann das Bewältigen von Übergängen wirksam unterstützen.

Wirksame Maßnahmen, um nur einige zu nennen, könnten sein:

  • das Abschließen von Kooperationsvereinbarungen zwischen Schule und Jugendhilfe auf kommunaler Ebene (Ziele, Ansprechpartner, Bildungsverständnis),
  • die Beobachtung und Dokumentation von Lernprozessen unter Wahrung des Daten­schutzes,
  • die Ermittlung individueller Förderbedarfe und die Sicherung entsprechender Förde­rung (Schwerpunkt auf der Sprachförderung als Schlüsselkompetenz für den weite­ren Bildungserfolg),
  • gemeinsame Fortbildungen für das Personal der abgebenden und der aufnehmenden Institution,
  • Vernetzung der Schulen und der außerschulischen Kooperationspartner,
  • Schaffung der notwendigen zeitlichen und personellen Ressourcen für die Kooperati­on.

 Die Ziele der Fachtagung

Die Lehrerinnen und Lehrern sollten

  • für die gesundheitsförderliche Gestaltung von Übergängen sensibilisiert werden,
  • die Gelegenheit erhalten, sich über Möglichkeiten einer nachhaltigen gesundheitsför­derlichen Gestaltung von Übergängen zu informieren, und zwar sowohl theoretisch durch Fachvorträge als auch praktisch in vier Arbeitskreisen, und
  • Anregungen bekommen, ihre Schulentwicklung in diesem Bereich weiter voranzubringen.