Sicherheitsförderung darf nicht mit Überbehütung und Risikominimierung gleich gesetzt werden. Die Sicherheit des Menschen hängt wesentlich davon ab, welchen Risiken er ausgesetzt ist bzw. welche er sich selber aussucht und ob und wie er gelernt hat, mit diesen Risiken umzugehen. Sicheres Verhalten erfordert demzufolge den selbstständigen Menschen, der gelernt hat, verantwortlich und risikokompetent zu handeln. Demzufolge gehört das Zulassen von Wagnis, Abenteuer und Risiko ebenso zur Sicherheitsförderung wie das Reglementieren oder Einschränken.

Unter Risikokompetenz wird die Fähigkeit und Bereitschaft verstanden, Risiken und Gefahren zu erkennen, zu bewältigen und ggf. zu beseitigen, um dadurch neue Sicherheit zu gewinnen. Schülerinnen und Schüler müssen sie im Rahmen der schulischen Sicherheitsförderung mit zunehmendem Alter lernen. Dazu bedarf es u.a. der handelnden Auseinandersetzung mit realen Risiken. Mit Risiken umzugehen kann aus rechtlichen und pädagogischen Gründen für Lehrkräfte, aber auch für Schülerinnen und Schüler jedoch nicht nur bedeuten, diese zu arrangieren oder zu dulden. Mit Risiken umgehen können und über Risikokompetenz verfügen, bedeutet auch, sicherheitsverträgliche Verhaltensmuster aufzubauen sowie Risiken zu dosieren und kalkulierbar zu gestalten. Risikodosierung meint, Risikosituationen so zu gestalten, dass Schülerinnen und Schüler bei den Aufgaben realistische Bewältigungschancen besitzen und ein Scheitern keine gesundheitlichen Schädigungen nach sich ziehen darf. Notwendig ist demzufolge auf jeden Fall ein reflektierter Umgang mit Risiken. Sicherheitsförderung verweist auf die Notwendigkeit der Passung von Anspruchsniveau, Aufgabenschwierigkeit und Bewältigungskompetenz. Insofern erfordert dies von Lehrkräften zum einen Fachkompetenz und Verantwortungsbewusstsein, zum anderen die Fähigkeit, risikoträchtige und wagnishafte Situationen wahrzunehmen und zu interpretieren sowie die jeweilige Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen einzuschätzen.

Die Einbeziehung des Risikos in die Sicherheitsförderung ist auch deshalb sinnvoll und erforderlich, weil Risikoverhalten zu einer normalen gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gehört. Das Eingehen von Risiken und das Aufsuchen von Wagnissen in ihren unterschiedlichsten Formen sind Begleiterscheinungen des Kindes- und vor allem des Jugendalters. Beim Risikoverhalten testen Kinder und Jugendliche die eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und psychischen Dispositionen sowie die soziale Durchhaltefähigkeit, um herauszufinden, was sie können. Bestandene Abenteuer und bewältigte Risiken sind eine Bestätigung für das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in die eigene Person, aber auch in andere, und der eigenen Wertigkeit in der Prestigehierarchie der Gleichaltrigengruppe. (Vgl. Hurrelmann, Klaus: Risikoverhalten und Kick-Erlebnisse im Jugendalter, S. 4-5.)