Schulbauplanung und Lernraumgestaltung sollte man nicht allein Architekten und Bauingenieuren überlassen, zumindest dann nicht, wenn man das Ziel hat, eine zukunftsfähige Schule zu bauen, die Anschluss an europäische Qualitätsstandards findet. Für die Bauplanung haben wir deshalb ein multifunktionelles Planungsteam gebildet und die Federführung für die Erstellung der Baupläne auf das Göttinger Architekturbüro Sittig / Voges übertragen, das gemeinsam mit mir und der Göttinger Farb- und Raumgestalterin Sigrid Stjerneby die Jugendherberge von mirow 21 mit ihren drei fraktalen Seminarräumen geplant und gestaltet hat. Zu diesem bewährten Kernteam sind für das Modellprojekt in Herford hinzugekommen: die architektonisch interessierte und urteilsfähige Schulleiterin, eine Bauingenieurin des Bauamtes, die für die spätere Bauausführung verantwortlich sein wird, der Leiter des Bauamtes und der Leiter der Schulabteilung der Stadt Herford.

Die vier zuletzt Genannten waren mit mir auf einer mehrtägigen Studienfahrt in Lund, wo wir uns fünf verschiedene Schulen angesehen und über das schwedische Schulsystem und dessen Philosophie informiert haben.

Ein Planungsteam mit acht Menschen unterschiedlicher Herkunft und Lebenserfahrung arbeitet selbstverständlich nicht reibungslos, insbesondere wenn drei gleichermaßen sensible und selbstbewusste Frauen sich einem männlichen Planungsrigorismus liebevoll zu widersetzen wissen. Reibung erzeugt Energie, Konflikte schaffen Spannung. Wo man im Umgang miteinander gelernt hat, mit der Reibung und Spannung konstruktiv umzugehen, gewinnt der Planungsprozess an Reiz und das Planungsergebnis an Qualität. An einem Beispiel möchte ich erläutern, wie sehr wir im Detail gerungen, gestritten und manchmal auch um Zentimeter gefeilscht haben: Wie groß soll die Transparenz von den Klassenräumen und der Personalstation zum (innenliegenden) Forum sein? Wie viel an Geschlossenheit ist aus welchen Gründen notwendig bzw. zumindest temporär wünschenswert? Eine über die gesamte Wandbreite gehende und bodentiefe Verglasung wäre das Maximum, das uns an verschiedenen schwedischen Schulen begegnet ist. Dies würde viel Licht in den innen liegenden Raum bringen. Zugleich aber hätte eine Vollverglasung schwerwiegende funktionale Nachteile. An einer Glaswand lassen sich keine Garderobenhaken befestigen. Glaswände reduzieren die Stellmöglichkeiten im Raum. Glaswände machen wenig Sinn, wenn sie von den Nutzern auf Dauer mit Vorhängen, Rollos, Plakaten oder Bildern zugehängt werden. Aber bodentiefe Verglasungen liegen im architektonischen Trend und sehen hervorragend aus - zumindest so lange die Nutzer sie in ihrer Formgebung respektieren. Das Lieblingszitat unserer Raumgestalterin bringt bei diesem Konflikt eine neue Nachdenklichkeit ins Spiel: „Wir lieben die Dinge und gebrauchen die Menschen, statt die Menschen zu lieben und die Dinge zu gebrauchen."

Glaswände können verschiedene Wirkungen auf unterschiedliche Menschen haben. Sie bieten eine räumliche Weite und gewähren Ausblick. Zugleich ermöglichen sie Einblick. Diese Form der Offenheit wird von Menschen positiv bewertet, die mit einer offenen Haltung durch das Leben gehen. Es gibt aber auch Menschen, die sich bisweilen oder auf Dauer abkapseln und einhausen möchten und sich nach einer eher höhlenartigen Umschlossenheit sehnen. Wie viele sind es von der einen oder der anderen Sorte und wie gehen wir mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen um?

Mit Hilfe eines externen Beraters, der das europäische Schulmöbelangebot überschaut, haben wir eine pädagogisch durchdachte Raumlösung gefunden, die wechselnden Ansprüchen an die Transparenz nicht nur heute, sondern auch in Zukunft gerecht werden dürfte (vgl. www.flexiblesKlassenzimmer.de). Dänemarks größter Tafelhersteller bietet doppelseitig nutzbare Leichtbautafeln in den Standardmaßen von 120 cm Breite und 90 cm Höhe an. Diese magnetischen Tafeln bzw. Pinnwände lassen sich mit einem Handgriff von Gleitschienen nehmen, die beispielsweise an den 4 m breiten, geschlossenen Wänden montiert sind. Im Rahmen der Kleingruppenarbeit werden die Tafeln entweder flach auf die einzelnen Gruppentische gelegt oder aber mittels einfacher Steckhülsen senkrecht auf die rollbaren Regale gesteckt, die jeder Arbeitsgruppe zugeordnet sind. Je nachdem, ob die Tafeln horizontal liegen oder vertikal im Raum aufgestellt sind, können sich die einzelnen Arbeitsgruppen zum Klassenraum hin öffnen oder abschirmen.

Bei einer entsprechenden Ausfachung der 6 m breiten Glaswand zum Forum lassen sich die 4 cm schmalen Hängeleisten für die Tafeln auch an einem etwa 190 cm hohen Querriegel montieren. Auf diese Weise kann man eine temporäre Abschirmung zum Forum herstellen und zugleich Schülerprodukte auf den Rückwänden der Tafeln nach außen präsentieren.