Im Laufe der Projektarbeit haben Projektleitung und Steuerungsgruppe häufig Zwischenauswertungen vorgenommen. Die Auswertung nach Ablauf der Projektzeit hat aber für uns noch einmal eine sehr wichtige Funktion für die Vorbereitung zukünftiger Schulentwicklungsschritte bekommen:

Aus größerer Distanz konnten wir auf den Projektprozess zurückblicken und die "Verfangenheit" des Mittendrin lösen. Wir haben versucht, uns für Kritik und Wertschätzung der geleisteten Arbeit Zeit zu nehmen, weil wir dies für einen wichtigen Bestandteil von Gesundheitsförderung halten.

Methodische Überlegungen

Die Jahnschule hat sich für das Prinzip der Selbstevaluation entschieden, d.h. alle Projektgruppen werten ihre eigene Arbeit aus und sprechen ihre Empfehlungen für die weitere Entwicklung aus.

Beispiele für Leitfragen aus der Evaluation der verschiedenen Projektgruppen:

Thema: Rückblick - Einblick - Ausblick:

Wertschätzend und kritisch bewerten wir unsere gemeinsame Arbeit als Steuerungsgruppe/Entwicklungsgruppe, sichern die Ergebnisse und sprechen Empfehlungen aus zur zukünftigen Verwendung

Leitfragen (für z.B. Kartenarbeit):

  • Wie ist uns der Blick auf die Schulentwicklung als Steuerungsgruppe gelungen ("Helikopterblick")? Was war hilfreich? Was war hinderlich? (struktureller Aspekt)
  • Wie haben wir als Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte.. mit anderen Projektgruppen zusammengearbeitet? (interaktioneller Aspekt)
  • Wie habe ich mich persönlich in die Projektberatungs- bzw. Entwicklungsgruppenarbeit einbringen können? Was war mir wichtig? (persönlicher Aspekt)
  • An welchen Themen haben wir gearbeitet? Welche Ziele haben wir erreicht? (inhaltlicher Aspekt)
  • Wie haben wir als Projektberatungsgruppe / Entwicklungsgruppe in die Schule hineingewirkt? (Umfeld)

Die Ergebnisse wurden in der Projektberatungsgruppe vorgestellt. Anschließend folgte eine gemeinsame Auswertung der Arbeit mit Organisationsentwicklung (Welche OE-Kriterien haben wir erfüllt? Welche haben wir nicht beachtet? Wo ist nachzusteuern?) und der Gesundheitsförderung (Was ist aus meiner Sicht in den drei Projektjahren im Schulleben gesünder geworden?).

Ergebnisse

Die Evaluation des Jahnschul-Projekts ist zur Zeit noch nicht vollständig abgeschlossen. Auch sie folgt einer Spiralbewegung: Mit der Zeit tauchen immer neue Gesichtspunkte auf, vertiefen bisherige Erkenntnisse und werfen neue Fragen auf.
Im Folgenden sind aus unserer Evaluation Thesen zusammengestellt, die

  • als Empfehlungen für andere Schulen gelten können
  • bedeutsame Erkenntnisse in Bezug auf unsere Schulentwicklung formulieren
  • die nächsten Schritte zu unserem Schulprofil weisen.

Was sich für gesundheitsfördernde Schulentwicklung bewährt hat:

  • Schulentwicklung in Form von Projekten zu organisieren, ist hilfreich (Überschaubarkeit).
  • Das Projektmanagement muss während des Projektprozesses immer wieder überprüft und der aktuellen Schulsituation angepasst werden (z.B. Größe und Zusammensetzung der Projektleitung und der Steuerungsgruppe, Häufigkeit der Beratung..).
  • Eine externe Projektberatung beschleunigt und vertieft den Entwicklungsprozess.
  • Die Beteiligung der Betroffenen ist ein Schlüsselbegriff der Schulentwicklung. Dazu sollten konkrete Modelle entwickelt und auf die Schulsituation zugeschnitten werden.
  • Gesundheitsförderung muss für alle Veränderungen in der Schule eingeübt werden (z.B. Wie kann die Arbeit so organisiert werden, dass niemand dauerhaft überlastet ist?)

Was die Jahnschule aus dem bisherigen Schulentwicklungsprozess gelernt hat:

(1) Störungen im Projektprozess weisen auf Entwicklungsdefizite hin

Eines der größten Probleme in der Projektarbeit war die mangelnde Verankerung der Schulentwicklungsarbeit!

In der Darstellung des Projektes sind einige Ursachen schon benannt worden ("Werte-Barriere", Zusammensetzung der Steuerungsgruppe, Probleme mit der Vermittlung von Organisationsentwicklung u.a.).

Wesentlich war dafür aber vor allem, dass die Einführung des Jahrgangsmodells 1991 auf halbem Wege "stecken geblieben" war:

Es war eine neue Organisationsstruktur eingerichtet worden, ohne die zukünftige Arbeit miteinander neu abzusprechen. (z.B.: Welche Verpflichtungen und welche Freiheiten hat ein Jahrgangsteam in der Planung eines Schuljahres? Welche Aufgaben, Rechte und Gestaltungsspielräume hat ein Abteilungsleiter in der neuen Jahrgangsstruktur? Wie können sich Eltern und Schülerinnen und Schüler an der Gestaltung des Jahrganges beteiligen?)

Auch die neuen Arbeitsformen (Teamarbeit) wurden nicht verabredet oder eingeführt.(z.B.: Welche Rahmenbedingungen braucht erfolgreiche Teamarbeit? Welche Möglichkeiten von Arbeitsteilung gibt es? Wo sind Verbindlichkeiten nötig, wo Freiräume möglich? Wie kann man Besprechungen als Gleichberechtigte(r) leiten?)

All diese Fragen sind zwar in der Auswertung der ersten Erfahrungen mit dem Jahrgangsmodell angesprochen worden, ihre Bearbeitung ist aber im Getriebe des Schulalltags untergegangen.

Als die Projektberatungsgruppe die Veränderungswünsche der verschiedenen Gruppierungen zu Entwicklungsthemen zusammengefasst hatte, trat eine Stagnation in der Schulentwicklung ein: die Themen wurden nicht in der Planung der Jahrgangsarbeit berücksichtigt, weil es keine entwickelte Schulkultur dafür gab. Die Entwicklungsthemen und Leitziele hatten keinerlei Verbindlichkeit für die Jahrgangsarbeit oder die Arbeit der Abteilungsleiter. Dem Schulentwicklungsprojekt fehlte also eine Basis zur Verankerung.

Im Projekt "Gesundheitsförderung durch Schulentwicklung" sind diese Fragen auch nicht direkt thematisiert worden. Denn durch die subjektive Fragen in der Bestandsaufnahme hatten wir diese strukturellen Aspekte aus den Augen verloren, obwohl sie in unserer Motivation zur Teilnahme am Modellversuch eine zentrale Rolle gespielt hatten.

Durch die Arbeit mit den Methoden der Organisationsentwicklung sind diese "verschütteten" Themen wieder aufgetaucht, z.B. hat jetzt die Schulleitung mit ihrer Formulierung der Leitziele und der Mittelfristigen Entwicklungsziele eine Forderung des Kollegiums aus der Kritik am Jahrgangsmodell eingelöst.

Daraus folgen drei weitere Ergebnisthesen:

(2) Die Bestandsaufnahme darf sich nicht auf eine subjektive Beurteilung beschränken.

(3) Die Modelle und Methoden der Organisationsentwicklung haben sich für die Schulentwicklung bewährt.

(4) Die Mittelfristigen Entwicklungsziele der Jahnschule sollten nach der Evaluation des Projektes überarbeitet und von der Schule abgestimmt werden.

Was Einfluss auf das künftige Jahnschulprofil haben sollte

Die Raumgestaltung der Schule braucht ein Gesamtkonzept.

Das Entwicklungsthema Kommunikation sollte ein Schwerpunkt in der schulinternen Lehrerfortbildung sein.

Die neuen Aufgaben der Projektarbeit z.B. Teambildung, Moderationen, Leitung, Beteiligung müssen regelrecht trainiert werden.

Eine neue Zeitstruktur in einer erweiterten Halbtags-Gesamtschule mit offenem Beginn, längeren aktiven Pausen, gesunder Verpflegung, wohl tuenden Räumen und einer Öffnung zum Stadtteil könnte mit verantwortlicher Beteiligung aller verwirklicht werden.

Sie käme den veränderten Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entgegen und gäbe der Jahnschule ein unverwechselbares Profil.

Das wichtigste Ergebnis dieses dreijährigen Schulentwicklungsprozesses ist, dass wir die Bedingungen für weitere Schritte zu einer gesundheitsfördernden Schule verbessern konnten, vor allem das Zutrauen in die Entwicklungsfähigkeit der Schule - und der Menschen:

"Nur durch Handeln, Versuch und Irrtum, systematische Evaluation und Dialog entdecken wir, was wir wirklich benötigen."(Dalin/Rolff/Buchen)

Angelika Ntschkowski in: Ulrich Barkholz u.a.: Gesundheitsförderung in der Schule. Ein Handbuch für Lehrerinnen und Lehrer. Soest 1998.