Gewöhnen müssen wir uns nur daran, dass Jugend-und Erwachsenenalter stark ineinander übergehen und sich vermischen. Zwar befindet sich im Erwachsenenalter die Persönlichkeit nicht mehr im Prozess des Aufbaus und der Umgestaltung, sondern die Anforderungen liegen jetzt mehr im Bereich der Umorientierung bei Arbeitsplatzwechsel, Weiterbildung und Fortbildung und der Bewältigung von Lebensveränderungen. Aber ebenso wie im Jugendalter sind auch im Erwachsenenalter die Anforderungen an die Selbstorganisation der Persönlichkeit hoch. Das Leben ist nie fertig, der Begriff „erwachsen" ist heute schal, keiner und keine kann sich einfach zur Ruhe setzen.

In jedem Lebensabschnitt und in allen Sozial-und Sicherungssystemen ebenso wie im Bildungs-und Berufssystem können so Eigentätigkeit und Selbstverantwortlichkeit gestört werden. Das Leben wird dadurch nicht leichter. Im Gegenteil: Es ist anstrengend, in einer unstrukturierten Gesellschaft eine strukturierte Biografie zu entfalten. Immer mehr Menschen aller Altersgruppen werden hierdurch überfordert. Eine Alternative zur Selbstorganisation des Lebenslaufs gibt es aber nicht.

Was bedeutet diese Entwicklung für das Verhältnis zwischen den Generationen? Insgesamt sind die Beziehungen heute sehr konfliktarm.

Verbleibende Generationskonflikte sind ganz überwiegend auf der kollektiven Ebene angesiedelt, also systembedingt angelegt, weil es um die Verteilung knapper werdender sozialstaatlicher Ressourcen, von Arbeitsplätzen und von Umweltressourcen geht. Deshalb werden neue sozial-und gesellschaftspolitische Verteilungskonzepte benötigt. Die Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen ist zu einer ernsthaften Herausforderung an den Sozialstaat geworden. Noch schaffen die Austauschverhältnisse auf der Mikroebene der individuellen und familialen Beziehungen einen Ausgleich dieser Spannung. Die „Transferleistungen" auf privater Ebene zwischen den Generationen entlasten und homogenisieren die verzerrten sozialpolitischen Ressourcenverteilungen. Deswegen sind die Spannungen zwischen den Generationen auf der individuellen und familialen Ebene auch sehr gering, trotz der durchaus gestiegenen psychischen und sozialen Wünsche und Anforderungen an das Zusammenleben. Die strukturellen Verteilungsprobleme zwischen den Generationen können aber wohl auf Dauer so nicht ausgeglichen werden.

Deshalb sind auch aus biografietheoretischer Perspektive dringend neue Ansätze notwendig. Neben der Neufassung der sozialen Sicherungssysteme geht es dabei auch um die Schaffung von sozialen Foren für den generationenübergreifenden Austausch. Dazu gehören Interessensbörsen und Wissens-und Wissenschaftsakademien, bei denen ältere Menschen Zeitzeugen vergangener Ereignisse sind, die sie lebendig an die jüngere Generation weitergeben. Außerdem können ältere Menschen als Paten für jüngere Arbeitssuchende und Berufsanfänger fungieren und nachbarschaftliche Kooperationen einleiten (Kaufmann 1993; Kohli und Szydlik 2000). Angesichts der Ausdünnung der Familien können solche Projekte auch für Generationenbeziehungen jenseits familialer Strukturen von Bedeutung sein, um die Angehörigen verschiedener Altersgruppen miteinander in Kontakt zu bringen. Ziel einer „Generationenarbeit" ist es, Übergänge zwischen den Lebensaltern zu erleichtern und den Dialog zwischen den Generationen in Familie und Gesellschaft zu fördern (Dallinger und Walter 1999, S. 104).

Eine Gesellschaft kann sozial nur überleben, wenn neben ein Mindestmaß von traditioneller Sicherung und Kontinuität auch ein Mindestmaß von Innovation tritt. Durch die junge Generation kommen dabei im Idealfall die aufbrechenden Entscheidungen zum Zuge, die sich aus den veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen ergeben. Die ältere Generation sorgt für Kontinuität und bringt ihre abgesicherten Erfahrungen ein. Die mittlere Generation ist in der Regel in einer gestaltenden Rolle, die die beiden Impulse miteinander verbindet. Es ist die Aufgabe der Gesellschafts-und Sozialpolitik, die Voraussetzungen für ein solches lebendiges Miteinander der drei Generationen zu schaffen. Sozialisationstheorie und -forschung können, wie meine Ausführungen zeigen sollten, dafür wissenschaftlich abgesicherte Entscheidungshilfen liefern.