Jugendliche sind heute prototypisch für eine flexible Lebensführung, die diesen Ausgangsbedingungen entspricht. Von Jugendlichen wird eine kreative individuelle Lebensgestaltung verlangt, um die erheblichen Spannungen zwischen den Selbstständigkeitspotentialen in den verschiedenen Lebensbereichen auszugleichen Diese Lebensgestaltung ist aber nur möglich, wenn auch die Jugendarbeit und -politik auf die neue Lage eingestellt wird.

  • Eine bewusste Lebensführung ist nur umsetzbar, wenn die Lebensphase Jugend nicht länger in ihrem traditionellen Verständnis als Durchgangsphase von der Kindheit in den vollwertigen Status des Erwachsenen interpretiert wird, sondern als eine Lebensphase, die selbstständig zu gestalten ist und eine besondere Lebensqualität hat. Für die biografische Formung der Jugendphase ist es nicht wünschenswert, sie als Zwischenstadium zum Erwachsenenleben zu definieren, das möglichst schnell abgeschlossen und überwunden werden sollte. Viele Experimentier-und Erfahrungsräume würden damit abgeschnitten und das anregende Potential der strukturell unruhigen Lebensphase nicht ausgeschöpft. Außerdem ist das Erwachsenenleben heute kein reifes und abgeschlossenes Lebenskonzept mehr (Heinz und Krüger 2001).
  • Unter den heutigen Lebensbedingungen sind die Chancen für den Aufbau der personalen Identität sehr hoch, weil traditionelle Vorgaben an Rollenverhalten und Wertorientierungen entfallen sind. Zugleich sind hiermit aber auch die Ansprüche an Jugendliche gestiegen, eine eigene Lösung für die vielfältigen Aufgaben und Probleme des Alltags zu finden. Der Druck auf autonome und selbstständige Sinngebung und Lebensorientierung ist entsprechend hoch (Berman, Schwartz, Kurtines und Berman 2001). Angebote aus der sozialen Umwelt für die Stabilisierung der sozialen Identität sind hingegen schwach und widersprüchlich, Möglichkeiten der Übernahme von sozialer Verantwortung sind klein, die Chancen für den Übergang in den anerkannten wirtschaftlichen Status des Erwerbsbürgers verzögern sich im Lebenslauf (Leventhal, Graber und Brooks-Gunn 2001).
  • Da das lang gestreckte Jugendalter überwiegend in Bildungs-und Ausbildungsinstitutionen verbracht wird, ist ein erheblich höheres Ausmaß an Mitgestaltung dieser Einrichtungen wünschenswert. Es handelt sich bei Schulen und Ausbildungsstätten um den wichtigsten Aufenthaltsort, gewissermaßen den „Arbeitsplatz" für Jugendliche, der deshalb auch auf ihre Bedürfnisse und Wünsche abgestellt sein muss. Die traditionelle Definition der schulischen und beruflichen Ausbildung als Zubringerdienst für spätere Erwachsenen-und Erwerbsrollen ist hierfür nicht tauglich.

Die Mischung aus Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit, der große Spielraum bei der individuellen Gestaltung des Alltags im Freizeit-und Privatbereich, den Jugendliche bewältigen müssen - das ist heute prototypisch für den ganzen Lebenslauf. Die Art und Weise, wie Jugendliche ihr Leben bewältigen, ist zu einem Muster für die anschließenden Lebensphasen geworden. Auch wegen der Unsicherheit, wie es weitergeht, des Wartens und Sichdurchhangeln von einer Ausbildungs-und Lebensperspektive zur nächsten. Die Monitoring-Mentalität, das sensible Sondieren der Umwelt, die ständige wache Selbstorganisation der Persönlichkeit als „Ich-AG“ werden allmählich zu einer Grundorientierung für die ganze Bevölkerung.