Unterstützung des Klimas in der Schule

Der Gewinn von Streit-Schlichtung durch Schülerinnen und Schüler ist mit abhängig vom Umfeld, in dem Schlichtung geschieht. Streit-Schlichtung wirkt umgekehrt auch auf das Milieu der Schule, so daß durch diesen wechselseitigen Einfluß die Schulqualität gesteigert wird. Es geht also nicht darum, ein perfektes Schulklima vorauszusetzen. Dennoch muß Schlichtung in der Schule umgeben sein von einerAtmosphäre des Vertrauens und Zutrauens.

Ein unterstützendes Klima entsteht, wenn Lehrerinnen und Lehrer bemüht sind, Konflikte konstruktiv zu lösen, Störungen zu berichten und vorrangig zu behandeln, die Selbstachtung der Schülerinnen und Schüler zu steigern und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Nachhaltig wirkt sich aus wie Schulleitung und Kollegium Konflikte lösen. Werden in Konflikten überwiegend Macht und Autorität ausgespielt und wird nur diszipliniert? Oder wird zugehört, ein respektvoller Dialog ermöglicht und dann erst gehandelt? Das alles prägt den "Geist einer Schule" und verleiht ihr ein bestimmtes Profil.

Unterstützung durch Vereinbarungen in der Klasse

Ein erfolgreicher, wenn auch mühevoller Weg mit Konflikten in der Klasse zu leben, ist die Verstandigung über den Umgang mit Regeln. Dabei bewirken wenige Regeln mehr als viele, wenn sie nicht nur angeordnet werden. Wenn mehr als eine Regel vereinbart wird, kann durchaus ein Vorschlag auch vom Lehrer eingebracht werden. Er muß seinen Vorschlag - wie die Schülerinnen und Schüler auch -begründen und dafür werben. Für einen solchen Vertrag in der Klasse sollte es eine zeitliche Begrenzung von einigen Wochen geben. Nach dieser Zeit ist eine Reflexion erforderlich. Sie bewirkt eine Prüfung, Bewertung und ist für zukünftiges Handeln von Bedeutung.

Auch eine solche Vereinbarung sollte schriftlich festgelegt werden und von allen, auch von der Lehrkraft, unterschrieben werden. Vorausgehen muß ein Konsens in der Klasse. Das bedeutet: Jeder Schüler ist bereit zu versuchen und auszuprobieren, wie er die Regeln beachten kann. Auf die feste Absicht und den guten Willen kommt es an. Sollte ein Schüler die Beteiligung am Vertrag ablehnen, müßte er sagen, was er möchte oder was geändert werden sollte, damit er mitmachen kann. Wenn er sich völlig verweigert, kann überlegt werden, ob die Vereinbarung gelten kann, ohne ihn einzubeziehen.

Dieser Weg, mit Regeln im Schulalltag umzugehen, wird Kraft kosten. Denn es dauert, bis junge Menschen lernen, sich auf Vereinbarungen hin mit Regeln zu identifizieren. Für uns gibt es wenigstens zwei wichtige Handlungsfelder, in denen wir diesen anstrengenden Weg gehen:

In einer kooperativen Unterrichtsform müssen Schülerinnen und Schüler lernen, sich an Regeln zu halten, mit denen sie übereinstimmen (Gruppenunterricht, handlungsorientierter und projektorientierter Unterricht).

Im Prozeß bei Konfliktlösungen brauchen Schüler Regeln, mit denen sie einverstanden sind. Sie werden sonst nur schwer Auseinandersetzungen untereinander überstehen und zu brauchbaren Vereinbarungen kommen, die sie auch einhalten.

Alle Bemühungen im Klassenzimmer und in der Schule, Konflikte zu bearbeiten, haben nicht das Ziel, konfliktfreie Fläume zu schaffen. Wo Menschen zusammen lernen und arbeiten, gibt es Spannungen und Auseinandersetzungen. LäBt man die damit zusammenhängenden Konflikte unbeachtet oder kehrt sie unter den Teppich, lähmen sie, werden sie bearbeitet, können sie persönliche Entwicklungen fördern.

Solches Handeln im Klassenzimmer bewirkt für die Kultur der Streit-Schlichtung, daß die Schülerinnen und Schüler aufmerksamer werden und lernen, nach einer Vielzahl von Lösungen zu suchen. Die Frage nach Schuld steht nicht im Mittelpunkt, sondern es wird gefragt, welche Lösungen mit dem Erhalt oder der Stärkung des Selbstwertgefühls beider Konfliktparteien vereinbar sind. Wenn sich diese Haltung bei Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern entwickelt, wird das Anliegen der gewaltfreien, selbstverantwortlichen Konfliktlösung unterstützt.
Günther Graun / Wolfgang Hünicke: Streit-Schlichtung: Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung für Konfliktlösungen in der Schule. Soest 1996.